Naturwein

Erste Erfahrungen mit dem Thema Naturwein
Es ist sehr viele Jahre her, ich war in Düsseldorf auf der „Prowein“, damals noch eine Heimstätte des Industrieweines. Aromahefen hatten in die Kellerwirtschaft Einzug gehalten, Weinfachleute feierten mit 6 g Restzucker als trocken titulierte Weine und freuten sich über Mango- und Litschiaromen. Auf der Gegenseite standen jedoch damals schon spontanvergorene Weine, diese vieldiskutiert als mutige Neuheit und krasse Nasen von fauligem Ei wurden nicht mehr als „Böckser“ bezeichnet, sondern galten schon fast als Qualitätskriterium.
Ich gelangte damals an einen Messestand am Rande der zahlreichen Gänge und Messeflure, der mich wie magisch anzog. Ein Weingut hatte faktisch sein gesamtes Weingut mitgebracht und seinen Stand mit sehr viel Liebe dekoriert – es begann mit einem Sekt und im Verlauf dieser Probe begann für mich das Verstehen – was ist Naturwein? Markus Fries, danke für diesen Moment und die von da an stetig geführte, für uns so wichtige Auseinandersetzung mit diesem Thema.

im Einklang mit der Natur
Winzer Markus Fries wehrt sich zum Beispiel gegen die häufig übliche krasse Ertragsreduzierung und meint: „,wenn Gott gewollt hätte, dass wir Trauben wegwerfen, dann hätte er die Welt im Allgemeinen anders eingerichtet. Ich mag den Druck auf den Trauben nicht, ich mag es entspannt.“
Der Zucker im Most steht manchem Wein im Weg, aber ich erinnere mich sehr gern zurück, schmecke heute noch nach und bin sehr dankbar für diese frühen Erfahrungen, ganz ohne das Bohei, das heute um das Thema Naturwein herrscht.

Auf einer der ersten Internetseiten von Markus Fries las ich seine Aussage: „Im Weinberg machen wir alles und im Keller eigentlich nichts.“ Und unserer Meinung nach kann man dies schmecken: dieses Mundgefühl, eine deutliche Struktur im Wein, ein mineralischer Durchklang, eine Frucht, die sich in jedem Wein wieder neu erfindet und beispielweise dann doch immer deutlich den Riesling zeigt. Jeder dieser Weine altert auf seine eigene Weise und wir sind besonders bei Verkostungen alter Jahrgänge immer wieder komplett positiv über diese grandiose Ausalterung überrascht.

Wie entsteht und was ist nun eigentlich Naturwein?
Nun kommt diese neue, junge stürmische Generation von Winzern und sagt: „Wir machen Naturwein“.
Uns freut dies sehr und wir werden uns diesen Weinen widmen, sie verkosten, beschreiben und bestimmt das ein oder andere Weingut mit Begeisterung begleiten und in unser Sortiment integrieren. Wir sind nicht angetreten, um in Langeweile zu ersticken, und hochgepumpter Industriewein war noch nie unser Favorit.

Wir finden es nicht dienlich, bei der Definition eine ständige Negation zu jedem dieser über 50 Stoffe vorzunehmen, die gesetzlich in das „Genussmittel“ Wein gekippt werden dürfen. Für uns ist das immer größer werdende Spielfeld an Enzymen mindestens genauso abenteuerlich wie gentechnisch veränderte Hefen, die bei der alkoholischen Gärung faktisch gleich einen biologischen Säureabbau mitmachen. Wir arbeiten mit Handwerkern, nicht mit Industriellen.

Das Problem mit der Begriffdefinition
Einen großen Teil unserer Weine werden wir, obwohl sie in unserer Deutungshoheit Naturwein sind, nach außen dann doch „naturnahe Weine“ nennen und wenn wir von „Naturwein“ sprechen, dann im Wesentlichen an folgende Kriterien geknüpft: Die Entstehung eines Naturweines beginnt in der Natur, gut ernährte Rebstöcke, komplexe Böden, optimales Mikroklima und gute Traubenreife – gütliche Kultivierung und eine große Harmonie zwischen Landschaft, Reben und Winzer. Spontane Hefen, egal wo diese herkommen und ob es vielleicht auch der Einfluss alter Kellerhefen ist. Ein guter Kellermeister sagte mal: „Wer Weinbergshefen will, sollte im Weinberg keltern.“ Ist es noch die reine Lehre vom Naturwein, wenn das Ende des Gärprozesses durch Zusatz einer neutralen Hefe zu Ende geführt wird? Eigentlich nein!

Das Filtern
Beim Filtern sollten eigentlich keine Hilfsmittel zum Einsatz kommen. Bei der Schönung von Wein wird das meiste ausgeschlossen und bei den vom Gesetzgeber fast liebevoll genannten „Verarbeitungshilfsstoffen“ ist die Bandbreite sehr groß, Eiweiße sind immer noch sehr beliebt, bei veganen Weinen wird gern Bentonit verwendet. Naturtrüber Wein ist ungefiltert und von daher eben Naturwein.

Der Schwefel
Beim Schwefel scheiden sich wieder die Geister, kein Gramm gilt als die reine Lehre. Der Schwefeldiskurs ist alt und die verantwortlichen Bio-Winzer haben mit ihren Eigenversuchen Chargen untersucht und immer die halbe Dosis geschwefelt. Dabei untersucht man von x-mg pro Liter bis zur Null-Gabe. Dadurch kann der Winzer seine kritische Schwefelmenge gut festlegen und seine Schwefelzugabe maximal minimieren. Dies ist sinnvoll und viele unserer naturnahen Weine werden so abgefüllt.

"sur lie"
Wenn wir die Winzer befragen, wie sie ihre Naturweine stabilisieren, ist das lange Lager auf der abgestorbenen Hefe, gern auch auf der Vollhefe, gern auch mit dem Aufrühren ebendieser, Thema. Dieses Verfahren ist uralt und als „sur lie“ heute noch bei vielen guten Muscadet de Loire auch auf dem Etikett zu finden. Dabei hat man bei genügend verfügbarem natürlichen Schwefeldioxid gute Chancen, dass sich Glutathion bildet, das sich dadurch auszeichnet, dass es eine ausgezeichnete, antioxidative Wirkung hat.

Wir mögen Naturwein - unsere Lieblingsweine findet ihr in unserem Sortiment. So beispielsweise die Weine von Vincent Stoeffler aus dem Elsass, der Domaine de Majas aus Roussillon, die OBVIUS-Serie von Salcheto aus der Toskana und natürlich der Silvaner „Anarchie“ von Laura Seufert aus Franken – mit Abstand das Beste, was ich an Naturwein bisher im Glas hatte! Wirklich!